Arbeitsrecht
Entscheidende Voraussetzung einer Druckkündigung ist, dass sich der Arbeitgeber vorher schützend vor den Arbeitnehmer stellt und alles versucht, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Notfalls muss er von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen. Erforderlich ist ein aktives Handeln. Gespräche und Beratungen reichen nicht aus. (Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 12.12.2023, Az.: 7 Sa 61/23)
Der Beweiswert von Folge-AU-Bescheinigungen kann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die exakt die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2023 – 5 AZR 137/23)
Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das wichtigste Beweismittel für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Allerdings können Verstöße des ausstellenden Arztes gegen die AU- Richtlinie diesen hohen Beweiswert einer AU – Bescheinigung erschüttern. (BAG, Urt. v. 28.6.2023 – 5 AZR 335/22)
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer Arbeit auf Abruf,ohne die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit zu definieren, gilt nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart. Nur wenn diese gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend eine andere Dauer […]
Ein Arbeitnehmer, der sich in einer privaten Chatgruppe in beleidigender, rassistischer, sexistischer oder zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte oder Kollegen äußert, kann sich gegen eine damit begründete fristlose Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine angebliche Erwartung berufen, seine Äußerung würde vertraulich bleiben. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23)
Im Rahmen eines Kündigungsschutzprozess besteht kein Verwertungsverbot für Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, mit denen ein vorsätzliches vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers bewiesen werden sollen. Die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers muss nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts stehen. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. Juni 2023 – 2 AZR 296/22)
Die Verjährung beginnt nicht zwangsläufig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist und der Arbeitnehmer über die in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beschriebene Kenntnis verfügt. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in die Lage versetzt haben, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich anzutreten. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung […]
Wird ein befristetes Arbeitsverhältnis nach dessen Ende nur einseitig durch den Arbeitgeber in der Art weitergeführt, dass dem Arbeitnehmer noch Resturlaub gewährt, von einer nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages ermächtigten Person ein Zwischenzeugnis erteilt oder ihm Auskunft über die steuerliche Behandlung eines Firmenwagens gegeben wird, so führt dies nicht zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses auf […]
Von dem Grundsatz, dass Leiharbeitnehmer für die Dauer einer Überlassung Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers haben („equal pay“), kann nach § 8 Abs. 2 AÜG* ein Tarifvertrag „nach unten“ abweichen mit der Folge, dass der Verleiher dem Leiharbeitnehmer nur die niedrigere tarifliche Vergütung zahlen muss. Ein entsprechendes Tarifwerk hat der Interessenverband […]
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, weil er meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, bietet aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer „zur Vermeidung von Annahmeverzug“ die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses an, verhält er sich widersprüchlich. In einem solchen Fall spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Beschäftigungsangebot nicht ernst gemeint ist. […]
Erbrecht
Der von dem behinderten Menschen als Leistungsbezieher erklärte Pflichtteilsverzicht verstößt weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau mit dem elterlichen Testament gegen die guten Sitten und ist daher wirksam. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2011 – IV ZR 7/10)
Ein Behindertentestament ist nicht allein deshalb sittenwidrig, weil in der letztwilligen Verfügung konkrete Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker fehlen, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken der Betroffene Vorteile aus dem Nachlass erhalten soll. (Bundesgerichtshof, Beschluss v. 24.7.2019 – XII ZB 560/18)
Geht dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach § 82 Satz 2 SGB IX aF* zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Unterlässt er dies, ist er dem/der erfolglosen Bewerber/in allerdings nicht bereits aus diesem Grund zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 […]
Sofern die Erbausschlagung für den Behinderten vorteilhaft ist, ist dies – auch bei einer bedeutenden Erbschaft – nicht sittenwidrig und von der grundgesetzlich garantierten Testierfreiheit gedeckt. Der Nachrang der Sozialhilfe tritt insoweit zurück, sodaß der Behinderte weiterhin Sozialhilfe beziehen kann. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2011 IV ZR 7/10; Landgericht Neuruppin, Beschluß vom 28.06.2017 – 5 T […]
Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ohne vorherige Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes begründet die Vermutung i.S.v. § 22 AGG, dass er wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden ist. (LAG Baden-Württemberg Urteil vom 17.5.2021, 10 Sa 49/20)
Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21)
Eltern müssen ihrem behinderten Kind auch bei vorhandenem größeren Vermögen keinen über den Pflichtteil hinausgehenden Erbteil hinterlassen.Vererben vermögende Eltern ihrem behinderten Kind einen Erbteil mittels eines sogenannten Behindertentestaments in der Weise, dass das Kind auch beim Erbfall weiterhin auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen ist, ist das Testament nicht bereits deswegen sittenwidrig und nichtig. Dies entschied […]
Ein Behindertentestament ist nicht allein deshalb sittenwidrig, weil in der letztwilligen Verfügung konkrete Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker fehlen, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken der Betroffene Vorteile aus dem Nachlass erhalten soll. (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2019 – XII ZB 560/18 – L) Dessen ungeachtet sollte ausführlich von der […]
Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit (Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG), begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson, regelmäßig die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, dass die […]
Ob ärztlicher Hintergrunddienst nach § 9 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) zu vergütende Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst ist, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch eine Vorgabe insbesondere hinsichtlich der Zeit zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit zwingt, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten und damit eine faktische Aufenthaltsbeschränkung vorgibt. […]
Nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte haben Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeitsstunden. Dazu gehört auch Bereitschaftsdienst. Ein solcher kann darin bestehen, dass die Betreuungskraft im Haushalt der zu betreuenden Person wohnen muss und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten. ( Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. […]
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vererbbarkeit von Urlaubsansprüchen hat seit diesem Jahr keinen Bestand mehr.Der Europäische Gerichtshof hatte, zuletzt am 6.11.2018 – C-569/16 und C-570/16 klargestellt, dass der Anspruch auf Gewährung von Urlaub und dessen Vergütung unabdingbar zusammenhingen. Der vermögensrechtliche Bestandteil des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub dürfe auch durch den Tod des Arbeitnehmers nicht rückwirkend […]
Abgesehen von langzeiterkrankten Arbeitnehmern (Stichwort: 15 Monate) verfiel der Urlaubsanspruch auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in den Fristen des § 7 Abs. 3 BUrlG unabhängig von dem Verschulden einer Partei mit Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums.Mit einem Paukenschlag wurde diese Rechtsprechung durch Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6.11.2018 in Frage gestellt, wonach Art. […]
Der Praxis wird durch eine Rechtsprechungsänderung des Bundesarbeitsgerichts eine vollkommen neue Berechnungsformel an die Hand gegeben, die zu einer Vereinfachung der Urlaubsberechnung führt. Diese lautet für die Sechs Tage-Woche: 24 Werktage Urlaub x Tage mit Arbeitspflicht ./. 312 Werktage Bei der Fünf-Tage-Woche ist von 260 möglichen Arbeitstagen auszugehen. Bei der Ausfüllung der Formel zählen gesetzliche […]
Insolvenzrechtlicher Rang eines Abfindungsanspruchs nach §§ 9, 10 KSchG Macht erst der Insolvenzverwalter einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG rechtshängig und löst das Gericht das Arbeitsverhältnis daraufhin auf, ist der Anspruch auf Abfindung nach § 10 KSchG eine Masseverbindlichkeit, die nach § 53 InsO vorweg zu berichtigen, also wie geschuldet in […]
Widerruf von Aufhebungsverträgen – Gebot fairen Verhandelns Ein Arbeitnehmer kann einen Vertrag, durch den das Arbeitsverhältnis beendet wird (Aufhebungsvertrag), auch dann nicht widerrufen, wenn er in seiner Privatwohnung abgeschlossen wurde. Ein Aufhebungsvertrag kann jedoch unwirksam sein, falls er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Der Arbeitnehmer war schloss in seiner Wohnung mit […]
Buchprüfung
Prüfungspflicht Die gewerbliche Vermittlung von Finanzanlagen ist in § 34 f GewO geregelt. Danach müssen alle Finanzanlagenvermittler eine eine spezielle Erlaubnis beantragen. Der Inhaber einer solchen Erlaubnis ist aufgrund des § 24 der FinVermV verpflichtet, die Einhaltung der sich aus den §§ 12 bis 23 FinVermV ergebenden Verpflichtungen für jedes Kalenderjahr durch einen geeigneten Prüfer […]
Ab 1. Januar 2019 gilt das neue Verpackungsgesetz 2019 (VerpackG). Es hat die bis dahin geltende Verpackungsverordnung (VerpackV) abgelöst. Das neue Gesetz gilt für alle Vertreiber, die Verpackungen erstmals gewerbsmäßig in Deutschland in den Verkehr bringen (die sogenannten „Hersteller“) – also für nationale Produzenten genauso wie für Importeure, Online-Händler etc. Damit ergeben sich nunmehr selbst […]
Urlaub darf nicht einfach verfallen Wer vom Arbeitgeber nicht rechtzeitig auf den drohenden Verfall des Urlaubsanspruchs hingewiesen wurde, kann seinen Anspruch nachträglich geltend machen. Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten künftig auffordern, noch nicht genommenen Urlaub zu beantragen und zu nehmen. Sie müssen darauf hinweisen, dass der Anspruch sonst verfällt. Das ergibt sich aus einem Urteil des […]
Vertragsrecht
Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf 1 Jahr beim Kauf von gebrauchten Sachen ist europarechtswidrig Sachverhalt: Dem Europäischen Gerichtshof wurde die Frage vorgelegt, ob die Regelung in § 476 Abs. 2 BGB mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vereinbar ist. Nach § 476 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches kann ein Unternehmer, der eine gebrauchte Sache an einen Verbraucher verkauft, die […]
Rechtsgrundlage für die Prüfungspflicht von Maklern und Bauträgern ist § 16 Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV). Der Prüfungsbericht muß von einem zugelassenen Prüfer ausgefertigt werden. Prüfungspflicht Grundsätzlich unterliegen alle in § 34 c Abs.1 Nr. 1b und Nr. 2 a und b Gewerbeordnung (GewO) genannten Gewerbetreibenden der Prüfungsverpflichtung, ferner Vermittler von Kapitalanlagen, die nicht unter das […]
Behindertentestamente zu Lasten des Sozialhilfeträgers sind zulässig Ein sog. Behindertentestament, das so konzipiert wird, dass das Familienvermögen weitgehend vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers geschützt wird, ist wirksam. Dem behinderten Familienmitglied werden damit soviel Annehmlichkeiten als möglich gewährt. Eine solche Testamentsgestaltung ist von der verfassungsmäßig garantierten Testierfreiheit gedeckt und ist weder sittenwidrig noch verstößt es gegen […]