Verfall des Urlaubsanspruchs
Abgesehen von langzeiterkrankten Arbeitnehmern (Stichwort: 15 Monate) verfiel der Urlaubsanspruch auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in den Fristen des § 7 Abs. 3 BUrlG unabhängig von dem Verschulden einer Partei mit Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums.
Mit einem Paukenschlag wurde diese Rechtsprechung durch Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6.11.2018 in Frage gestellt, wonach Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie und Art. 31 Abs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) einer solchen Gesetzesauslegung entgegenstünden, wenn der Arbeitgeber nicht vorab geprüft
habe, ob der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Arbeitgeber müssten ihre Arbeitnehmer zwar nicht zwingen, Urlaub wahrzunehmen. Sie seien aber verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer in der Lage sei, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem sie diesen – erforderlichenfalls förmlich – dazu aufforderten und ihn auf den möglichen Verfall hinwiesen. (EuGH 6.11.2018 – C-684/16)
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 19.2.2019 – 9 AZR
541/15 versucht, die vom EuGH entwickelten Mitwirkungsobliegenheiten für die Praxis zu übersetzen. Danach sei der Arbeitgeber zwar
grundsätzlich in der Wahl der Mittel frei, derer er sich zur Erfüllung seiner Obliegenheit bediene, müsse aber folgende Voraussetzungen erfüllen:
– Geeignetes Mittel, damit der Arbeitnehmer frei entscheiden kann, ob er seinen Urlaub nehmen will;
– abstrakte Angaben im Arbeitsvertrag, in Merkblättern, Betriebsvereinbarungen etc. genügen nicht;
– ein auf den Arbeitnehmer bezogener Hinweis auf den konkreten Status zu Beginn des Jahres genügt in der Regel;
– Textform reicht aus.
Wie dies konkret ausgestaltet werden kann, überlässt das Bundesarbeitsgericht der Rechtspraxis. Arbeitgeber sollten aber zwingend noch in diesem Jahr, spätestens im Oktober oder November, ihre Arbeitnehmer auffordern, etwaig bestehende Resturlaubsansprüche zu nehmen und sie über den drohenden Verfall informieren. Im nächsten Jahr genügt dann grundsätzlich die einmalige Information zu Beginn des Jahres. Hier wird jeder Arbeitgeber ein für ihn funktionierendes System entwickeln müssen. Dabei sollte beachtet werden, dass die Zahl der Urlaubstage konkret für jeden Einzelfall zu berechnen ist. Den Arbeitgeber trifft die Beweislast, dass er seinen Obliegenheiten nachgekommen ist. Für Altfälle gilt im Übrigen kein Vertrauensschutz. Das bedeutet, dass nicht nur Ansprüche aus dem Jahr 2019, sondern auch aus den Vorjahren zu berücksichtigen sind. Ob dies auch über den Verjährungszeitraum der §§ 195 ff. BGB hinausgeht, ist derzeit noch unklar. Schon Ende des Jahres hat das Bundesarbeitsgericht Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Dennoch sollten Arbeitgeber sicherheitshalber Rückstellungen